In Frieden und Freiheit (1945 – 1970)

Der Neubeginn

In den letzten Kriegesjahren ruhte die Vereinsarbeit vollständig. Das Vermögen des Vereins, insbesondere die Turngeräte und die schöne Vereinsfahne, waren vernichtet. Auch nach dem Einmarsch amerikanischer Truppen in Wegberg im März 1945 war an Vereinstätigkeit kaum zu denken. Abgesehen davon, dass alle Zusammenkünfte sowie das Betreiben von Leibesübungen irgendwelcher Art zunächst verboten waren, kehrte die evakuierte Bevölkerung erst allmählich heim und viele Soldaten kamen noch später aus der Gefangenschaft zurück, mancher unter ihnen sogar schwer verwundet. So hatten die Heimkehrer zu Beginn mit ihren eigenen Sorgen zu kämpfen, bevor sie für Turnen und Sport Zeit fanden.

Hinzu kam, dass die Mitglieder vor ihrer Entnazifizierung in der Öffentlichkeit weder auftreten, noch weniger Ämter ausüben durften. Ferner musste das alte Grundgesetz der Turnerschaft von 1929 wieder genehmigt werden, da die Militärregierung die Einheitsstatuten des „NS-Reichsbundes für Leibesübungen“ für ungültig erklärt hatte.Das Gerätturnen war vor dem 2.Weltkrieg die überwiegende Sportart im Turnverein, die in den Männer- und Jugendabteilungen betrieben wurde. So erwuchs 1948 aus den Trümmern zunächst wieder eine kleine Truppe Geräteturner. Da die Turnhalle am Hagelkreuz als Lebensmittellager für die „Rewe“-Großhandelsgesellschaft beschlagnahmt worden war, hatten treue Vereinsmitglieder die noch verbliebenen Turngeräte in die stillgelegte Kleiderfabrik Küppers an der Beecker Strasse. geschafft. Im November 1948 nahmen unter Führung von Oberturnwart Peter Keuter die Turner unter bescheidensten Verhältnissen den Turnbetrieb wieder auf.

Die Damenabteilung unter Maria Küppers stand den Turnern in keiner Weise nach. Die Gymnastik-Riege war eine der Besten im Erkelenzer Land und die schönste am Niederrhein. So fanden bald zahlreiche Schülerinnen Freude am Turnen und an der Gymnastik und erklärten ihren Beitritt. Der Turnernachwuchs war durch die Aufstellung einer stattlichen Schülerriege gesichert und bald stand das Vereinsleben wieder in voller Blüte. Gemeinsam mit dem TV Tüschenbroich feierte man 1949 ein Sommerfest „Schloß in Flammen“. Der grandiose Reingewinn betrug 37,- DM. – Nun richteten sich alle Kräfte darauf, das Bezirksturnfest auszurichten, das zum 50.Vereinsjubiläum in Wegberg stattfand.

Goldenes Stiftungsfest

Das 50. Stiftungsfest wurde vom 8. – 10. Juli 1950 unter der Schirmherrschaft von Landrat Josef Rick, Erkelenz, gefeiert. Dem Ehrenausschuss gehörten 21 Honoratioren an, darunter der Bürgermeister, der Oberkreisdirektor, der Pfarrer, ein
Notar, Ärzte und Apotheker an. Mit der Emanzipation war es noch nicht weit her, – obwohl es bereits eine große Damenriege gab, war keine einzige Dame dabei.
Den sportlichen Höhepunkt bildete das Bezirksturnfest des III. Bezirks, das gleichzeitig in der „Kull“ am Bahnhof stattfand. 384 Turner und Turnerinnen waren aus 22 Vereinen in 24 Riegen zum Kampf um Sieg und Ruhm angetreten. Der Zwölfkampf der Männer bestand aus Pflicht und Kür am Reck, Barren und Pferd – Frei- und Bodenübungen – Kugel- und Steinstoßen – 100 m Lauf – sowie Weit- und Hochsprung. Aufgelockert wurden die Kämpfe durch zwei Sondervorführungen. Abends gab es ein Festbankett im Vereinslokal Houben. Am Sonntag war schon um 5 Uhr Wecken und anschließend ein Festgottesdienst.

Dann gingen die Wettkämpfe weiter. Nach der Mittagspause zogen alle Teilnehmer in einem feierlichen Festzug zurück zum Sportplatz, bis alle Sieger ermittelt waren. Der Tag ging mit Siegerehrung und anschließenden Tanzveranstaltungen festlich zu Ende.
Der Montag gehörte dem TuS Wegberg. Er feierte in seinem Vereinshaus Houben ein großes Familienfest, ehrte seine Sieger und verdiente Mitglieder. Einen Ehrenbrief erhielten Hermann Sitzen und Jakob Brunen, die seit der Gründung dem Verein angehörten.

Am Sonntag-Nachmittag stellte man sich zum Festzug durch den Ort auf. An ihm nahmen 22 Turnvereine und 5 Gast-Abordnungen von befreundeten Wegberger Vereinen teil. Feierlich zogen sie mit ihren Fahnen durch Wegberg zum Sportplatz.

Der TuS bei Wettkämpfen

Der TuS trat zu Wettkämpfen, Bezirksmeisterschaft, beim Turnerball, auf Turnfesten und bei Deutschen Turnfesten an.

Planung und Organisation des Turnfestes lagen in bewährten Händen des Vorstands, der tatkräftig vom Ehrenvorsitzenden Dr. med. W. Claßen unterstützt wurde, dessen erfolgreiche Arbeit so nahtlos weiterging.

1953 trafen sich TV Eintracht Rheydt-Pongs, TV Schwanen- berg und TuS Wegberg zu Vergleichs-Wettkämpfen an den Geräten. Am 24. Januar 1954 richtete der TuS Wegberg die Wettkämpfe an den Geräten aus.

Die Turnerbälle waren für Wegberg ein gesellschaftliches Ereignis wie für Wien der Opernball oder für Berlin der Presseball. Jedes Jahr am ersten Samstag im Februar drängten sich alle in den Festsaal Houben und Gäste konnten nur auf Einladung einen Platz bekommen. Schwarzer Anzug für die Herren und langes Abendkleid für die Damen waren vorgeschrieben und im Saal herrschte Weinzwang. Im Programmteil führte die Damenriege traditionell einer Wiener Walzer, wie z.B. den Kaiserwalzer vor und die Turner zeigten ihr Können am Barren und am Reck.

Im Sommer gab es dann jährlich noch ein Sommerfest mit Tanz, bei dem es etwas familiärer zuging. Oft wurde es zusammen mit befreundeten Vereinen veranstaltet oder es war ein Teil des Stiftungsfestes.

Nach wie vor stand Gerätturnen im TuS an erster Stelle. Durch Teilnahme bei allen Turn- und Vergleichskämpfen auf Bezirks- und Kreisebene in Korschenbroich, Heinsberg, Viersen, Geilenkirchen lernten unsere Turner hinzu und gewannen an Erfahrung.

Jeder Turner träumt davon, einmal selbst bei einem Deutschen Turnfest dabei gewesen zu sein, wenn schon nicht als Aktiver, dann wenigstens als Besucher. So auch einige Mitglieder vom TuS Wegberg, die die Turner Alli Schulzki, Hubert Ehren und Willi Bolibruch 1953 nach Hamburg begleiteten.

Auch zum nächsten, 1958 in München, machte sich eine neunköpfige Abordnung auf die Reise, um sowohl die Atmosphäre eines Turnfestes als auch die der bayrischen Hauptstadt zu schnuppern. Unsere aktiven Turner wurden von einigen von ihnen beim Festzug begleiteten, aber alle waren dabei, als es ins Hofbräuhaus ging. Bei einem gemeinsamen Busausflug nach Hohenschwangau zu den Königschlössern wurde Jakob Symes plötzlich vermißt und als er kurz vor der Rückfahrt endlich auftauchte, machte die Vermutung die Runde, er wäre im Bett König Ludwigs eingeschlafen.

Die Aktiven der ersten Stunde
Fahnenweihe 1960
Die neue Fahne

Eine Ära geht zu Ende
Durch den Neubau von Schulen in Wegberg entstanden auch neue Turnhallen. Die erste wurde 1955 an der Grundschule auf der Echter Straße fertig. Die TuS-Turner wechselten von der alten Halle am Hagelkreuz in die wesentlich modernere Turnhalle über. Die Gaststätte wurde 1956 geschlossen, während die Halle noch bis 1962 für Festveranstaltungen, danach für andere Zwecke benutzt wurde. Damit ging eine 25-jährige TuS-Geschichte zu Ende, in der der TuS hier zu Hause war. Von 1956 bis 1971 wurde das Lokal Paulussen auf der Hauptstraße zum Vereinslokal.

Die Jahn-Eiche
Als wollten sie die Vergangenheit festhalten oder ihr ein Denkmal setzen, dort wo der Beeckbach in die Schwalm mündet, pflanzten 1955 Alex Ramachers mit den Turnern einen Baum, die „Jahn“-Eiche.

Die neue Fahne
Bei aller Freude über den erfolgreichen Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg trauerten die Turner um die alte Vereinsfahne von 1906, die im Krieg verloren gegangen war. Daher sammelten Franz Mertens und Willi Dreßen seit 1958 unverdrossen in der Wegberger Geschäftswelt Spenden für eine neue Fahne ein. 1960 war ihr Einsatz endlich belohnt und die neue Vereinsfahne konnte angeschafft und feierlich beim 60. Stiftungsfest eingeweiht werden. Für einen sportlich würdigen Rahmen sorgte die Gauturnriege. Einer daraus war Heinz Ruckes, der später nach Wegberg zog und als Spitzenturner dem TuS eine Stütze werden sollte. Als Ehrengästen waren die Männer der ersten Jahre geladen, sogar Gründungsmitglieder waren noch dabei. Stolz nahmen sie vor der Fahne Platz für das Gruppenfoto.

Turnen im Aufwind – Leichtathletik auf dem Vormarsch

Auch in den folgenden Jahren erfreute sich das Turnen großen Zuspruchs. Unter Alli Schulzki, der seit 1959 den Turner-Nachwuchs betreute, wuchs eine talentierte Mannschaft heran.

Durch den großen Zulauf zum TuS wurden Trainingsmöglichkeiten knapp, daher bildeten die Turner mit dem TV Schwanenberg eine Trainingsgemeinschaft und trainierten zusammen.

Leider sank ab 1966 das Interesse am Leistungsturnen und das Training fand nur noch einmal in der Woche statt bis es schließlich in der Männerabteilung in den 70er Jahren ganz einschlief. Der intensive Einsatz für die Jugend hatte jedoch gute Früchte getragen. Die jungen Turner beteiligten sich an Gaurunden-Wettkämpfen und an den Bundesjugendspielen in Wegberg, wo 20 Jungen vom TuS antraten.

Die Arbeit im TuS war sehr stark vom Turnen geprägt und leichtathletische Übungen fanden nur im Rahmen der turnerischen Mehrkämpfe statt. Dies änderte sich, als seit 1961 auch Leichtathletik angeboten wurde. Man beteiligte sich an den Wettbewerben auf Kreisebene und erzielte dabei gute Platzierungen. Im Jahre 1961 wurde die Laufbahn in Beeck eingeweiht.

Auch die Jugend war an den Erfolgen beteiligt. Bei Staffelläufen 1961 und 1963 belegten Läufer des TuS vordere Plätze und waren auch bei Waldläufen vielfach erfolgreich, 1965 gewann die Mannschaft der Schülerinnen sogar den ersten Platz.

So kam es, dass die Leichtathleten im TuS sowohl zahlenmäßig als auch an Kampfkraft immer mehr an Bedeutung gewannen und damit auch ihr Selbstbewusstsein. Es blieb nicht aus, dass Reibereien mit dem, noch von den Turnern geprägten Vorstand entstanden.

Krisenstimmung

Trotz oder gerade wegen ihrer Erfolge waren die Leichtathleten unzufrieden. Viele glaubten, dass der Verein sich zu wenig um sie kümmerte und gründeten 1968 zusammen mit dem 2. Vorsitzenden Willi Jacken einen eigenen Verein. Dieser Schlag saß tief, denn es war heimlich geschehen, ohne dass jemand mit dem Vorstand ein Wort geredet hätte. Zur Klärung der Lage berief der überraschte Vorstand sofort eine außerordentliche Generalversammlung ein. Der Vorsitzende des Bezirksturnrats Saurenbach, der der Versammlung beiwohnte, beschwor die Anwesenden, sich nicht entmutigen zu lassen: „Der Turnverein hat es verdient, dass er auch in unserer Zeit nicht untergeht!“

Nach anfänglicher Bestürzung waren sich die Anwesenden einig, kommissarisch den Vorstand zu ergänzen und die Arbeit wie bisher fortzusetzen. Kontakt und Mitarbeit mit den Eltern wollte man verstärken und schrieb darauf hin alle Eltern an, dass die Leichtathletik weitergeführt würde.

Kaum hatte Heinrich Zons, der 1967 den Vorsitz übernommen hatte, diesen Schlag überstanden, da kam ein neues Problem auf ihn zu. 1969 ging in Wegberg eine Bestrebung um, die 4 Sportvereine SC, LC, TTC und TuS in einem einzigen Großverein zusammen zu schließen, und das, obwohl der LC erst vor kurzem ausgetreten war. Klar, dass man im TuS strikt dagegen war. Auf der Generalversammlung im April 1969 machte Heinrich Zons seinen Standpunkt deutlich und erklärte, er stehe einer Wiederwahl nur zur Verfügung, wenn die Versammlung den Plänen für eine Fusion eine klare Absage erteilt. Die Anwesenden schlossen sich dieser Meinung an und bestätigten den gesamten Vorstand.